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– Sechs Stichworte zu Psychodrama
und Soziometrie
Psychodrama
Psychodrama ist ein eigenständiges psychosoziales
Verfahren zur konstruktiven Gestaltung von Gruppenprozessen.
Unverwechselbare Kennzeichen sind erstens die prozessorientierte
Beziehungsarbeit in der Gruppe und zweitens die Arbeit
an und mit Szenen, die auf der ? Bühne dargestellt,
gemeinsam verstanden und verändert werden. Auch
wenn die ? Soziometrie für PsychodramatikerInnen
mindestens ebenso wichtig ist wie das Psychodrama hat
sich der Begriff „Psychodrama“ als gemeinsame
Bezeichnung für die psychodramatische und die soziometrische
Arbeit durchgesetzt.
Gruppe
Auch wenn Psychodrama auch in der Einzelarbeit angewandt
werden kann, bildet die Gruppe das Herzstück der
psychodramatischen Arbeit. Vielleicht war Morenos genialste
Idee zu verstehen, dass Gruppen stärker sind als
Einzelne und dass sie deshalb der Ort sind, an dem sich
die Wirklichkeit verändern lässt. Gezielt
und systematisch wird die Dynamik der Gruppe im Psychodrama
genutzt, um bestehende Probleme und Fragestellungen
zuzuspitzen, um Veränderungsprozesse in Gang zu
setzen und um Lösungen zu finden und sie zu erproben.
Gegenseitige Hilfe ist in Morenos Augen der Königsweg
zur Verbesserung einer Situation.
Protagonist
Der psychodramatische Prozess der Gruppe lebt von dem,
was die einzelnen Gruppenmitglieder an Erfahrungen mitbringen.
Immer wieder kommt der Prozess an einen Punkt, an dem
einzelne Lebensgeschichten beispielhaft in den Mittelpunkt
der Aufmerksamkeit gestellt werden. Dann wird ein Gruppenmitglied
zum Protagonisten und zeigt auf der Bühne, was
ihm widerfahren ist. Das Psychodrama besitzt eine reiche
Methodenpalette, um im gemeinsamen Spiel wichtige Situationen
besser zu verstehen. Jedes Spiel endet für den
Protagonisten mit der Erfahrung, dass es kein Erlebnis
gibt, mit dem man ganz allein ist. Gleichzeitig erleben
die anderen Gruppenmitglieder, dass in jeder Szene ein
Kern steckt, vom dem auch sie profitieren.
Bühne
Neben der Gruppe ist die Bühne der wichtigste Ort
im Psychodrama. Dabei ist die Bühne meistens keine
wirkliche Theaterbühne, sondern die Bühne
ist dort, wo psychodramatisch gearbeitet wird. Sie ist
der Ort an dem Situationen besser verstehbar werden.
Sie ist das Vergrößerungsglas der psychodramatischen
Arbeit. Mit allen Sinnen kann auf der Bühne eine
Szene erforscht, verstanden und gestaltet werden. Moreno
spricht von einer „surplus-reality“ (einem
Realitätsmehrwert), die auf der Bühne herrscht.
Denn dort ist es möglich Rollen zu übernehmen,
die im Alltag unerreichbar sind. Dort ist es möglich
eine Königin zu sein oder ein Krokodil. Auf der
Bühne kann ich Verstorbenen begegnen, meiner Zukunft
oder meinem inneren Schweinehund… All das macht
die Bühne zu einem unschätzbar wertvollen
Analyseinstrument und zu einem grenzenlosen Raum, um
gute Lösungen zu erfinden.
Soziometrie
Der Mensch ist niemals isoliert. Er ist stets eingebunden
in Beziehungen und Beziehungsnetze. Diese Netze können
tragen, beschützen oder hemmen – immer aber
bestimmen sie unser Leben. Dennoch wissen die allermeisten
Menschen erschreckend wenig über diese Beziehungsnetze.
Weil Moreno dies verstanden hat, hat er ein Instrumentarium
entwickelt, um Beziehungen sichtbar zu machen. Mit den
Werkzeugen der Soziometrie hilft das Psychodrama Nähe
und Distanz, Sympathie, Antipathie oder Gleichgültigkeit,
Abstoßung und Anziehung zwischen Menschen sichtbar
zu machen. Die alltägliche Erfahrung dabei ist,
dass Beziehungen erst dann verändert werden können,
wenn wir sie verstehen. Und: Menschen leben glücklicher,
wenn sie ihre Beziehungsnetze aktiv zu gestalten lernen.
Anwendungsfelder
Weil Moreno mit beeindruckender Intuition Brennpunkte
und zentrale Mechanismen des menschlichen Lebens identifiziert
hat, konnte er mit Psychodrama und Soziometrie ein Verfahren
schaffen, das sehr flexibel einsetzbar ist. Egal ob
es um eine berufliche oder eine private Situation geht,
ob der Auftrag Therapie oder Unterricht, Beratung oder
Supervision heißt, die Frage nach wichtigen Beziehungen
und dem Verstehen von Schlüsselsituationen, nach
dem Zusammenspiel der Beteiligten und ihrem individuellen
Erleben ist immer relevant. Entsprechend wird das Psychodrama
von allen psychosozialen Berufen verwendet. Es wird
in Schulen und Selbsterfahrung, Beratungskontexten,
Personal- und Organisationsentwicklung, in Exerzitienarbeit
und Supervision, in der Bildungs- und Sozialarbeit,
in der Familiengerichtsbarkeit und in unzähligen
anderen Formaten angewandt. Dabei ist es ein Leichtes,
das Psychodrama an neue Aufgabenfelder anzupassen und
herausfordernde Situationen psychodramatisch zu gestalten.
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